Kadel Willborn

Matthias Bitzer

15 Nov 2008 - 31 Jan 2009

© Matthias Bitzer
installation view "seasick sailor", Gallery Iris Kadel, 2008, Karlsruhe, Germany; Fountain, 2008, wood, mirror, colour, wire, yarn, plastic, 4 parts, 240 x 80 x 210 cm
MATTHIAS BITZER
"Seasick Sailor"

15.11.2008 - 31.01.2009

Wir freuen uns mit Matthias Bitzers dritter Einzelausstellung "seasick sailor" unsere neuen Galerieräume in Karlsruhe zu eröffnen. Die Ausstellung setzt sich außerdem in unseren alten Galerieräumen fort. Übergänge, Verbindungen und Wechsel zwischen verschiedenen Orten und Zeiten sind charakteristisch für Matthias Bitzers Werkkomplexe, deren Ausgangspunkt das Interesse an den existentiellen Strukturen von Identitätskonstruktion ist. Historische Persönlichkeiten, deren Biografie von Widersprüchlichkeit und Lücken gekennzeichnet ist, sind oftmals die Protagonisten von Matthias Bitzers Recherchen. Nicht selten sind sie im kollektiven Gedächtnis in Vergessenheit geraten wie beispielsweise die Dichterin und Künstlerin Mina Loy (1882-1966) oder die Schriftstellerin und Dada-Mitbegründerin Emmy Ball-Hennings (1885-1948), auf die sich frühere Serien bezogen haben. Die Brüchigkeit von Bedeutung und Inhalt übersetzt Matthias Bitzer in komplexe Raumkonzepte: Wandzeichnungen und architektonische Eingriffe sind die fragmentarische Weiterführung seiner Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen in den bestehenden Ausstellungsraum, der auf diese Weise zum Handlungsort neuer Erzählungen wird.

Für die Ausstellung "seasick sailor" bilden die mysteriöse Biografie und die mehrdeutigen Texte des Autors Joseph Conrad (1857-1928) den Bezugspunkt. Conrads Erzählungen und Romane gelten als wichtige Werke der britischen Literatur des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Interessanterweise ist Conrad polnischer Herkunft gewesen und hat nach einem vierjährigen Aufenthalt in Frankreich um Seemann zu werden erst mit 21 Jahren die englische Sprache erlernt, um dann unter britischer Flagge Kapitän zu sein. Eine der wenigen überlieferten Fakten ist, dass Conrad auf hoher See an schweren Fieber erkrankt ist, dass ihn auch Jahre später bis hin zu seinem Tod nie ganz verlassen hat und der Grund für den Abbruch seines Berufs als Seemann gewesen ist. Conrads Erlebnisse als Seemann in Afrika bilden den Hintergrund seiner späteren Texte, die auch Einblick über den damaligen kolonialistischen Blick auf die andere Welt geben. Immer wieder integriert Conrad autobiografische Elemente und verwischt die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion, wie bei "Herz der Finsternis" (1902), das die Vorlage für Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm "Apocalypse Now" (1979) gewesen ist. Selbst wenn Conrads Protagonisten sich auf dem Weg zu benennbaren Orten befinden, lässt Conrad sie gleichzeitig in ihr psychologisches "inneres Ausland" reisen. Das Meer spielt in Conrads Erzählungen eine große Rolle und wird zur Allegorie: für Conrad verkörpert das Meer die Idee eine nonlinearen Konzeption von Zeit, Gleichzeitigkeit, Unendlichkeit sowie die unsichtbaren Wandlungen von Identität, die sich hinter der sichtbaren Oberfläche abspielen, die scheinbar immer dieselbe ist.
 

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