Peter Sauerer, "Demolition Demon"
29 Jan - 26 Feb 2011
Die denkwürdigen Werke...
[...] Peter Sauerer nimmt sich all jene Dinge gründlich vor, denen es gelingt, seine Aufmerksamkeit zu binden. Eine barocke Madonna ebenso wie ein faschistisches Siegsdenkmal in Bozen. Einen Panzerkreuzer aus dem Zweiten Weltkrieg oder eine gotische Kathedrale in Frankreich, einen griechischen Tempel auf Sizilien, Kommissar Stephan Derrick (Horst Tappert) oder Papst Benedetto, Leni Riefenstahl auf dem Reichsparteitag in Nürnberg 1934 oder ein Gemüsebeet in Walleshausen, Madame Pompadour oder Prinz Eisenherz und Aleta. Wenn ihn die Satellitenaufnahmen, die uns Google Earth beschert, faszinieren und zu Werken anregen, bekommt das Flüchtige eine Dauer. Es bleibt Zeit für Nachgedanken. Wie, so kann man sich beispielsweise fragen, sehen wohl erst die militärischen Satellitenaufnahmen aus, wenn schon die zivilen Fotografien derart scharf und hochauflösend sind? Was verschiebt sich durch diese neue Möglichkeit der Weltsicht in unserer Weltvorstellung? Wie verändert sich unser Verhältnis zum Himmel über uns?
Sauerer verbietet sich nichts, auch nicht, der Suggestion von Waffen nachzugehen. Er folgt den Impulsen, die ihn erreichen und die von den Dingen selbst auszugehen scheinen. Er betrachtet diese schwer zu analysierenden ersten Anstöße genau, klärt historische Zusammenhänge und schnitzt – sofern die Objekte einer längeren Beschäftigung standhalten – spezielle, sorgsam ausgewählte Vertreter einer Gattung liebevoll nach, bemalt und zerlegt diese, wie im Falle der Waffen und Schnurarchitekturen, zum Teil wieder, um sie im letzten Schritt der Bearbeitung mit Schnüren wieder zusammen zu nähen. Die gut verdeckt zu tragende kompakte Walther PKK (Polizeipistole Kriminal) „political leader“ – mit der sich Adolf Hitler erschoss – und die in einer späteren Version in zahlreichen James-Bond-Filmen und als Dienstwaffe von vielen Fernsehkommissaren Verwendung fand oder die Selbstladepistole Colt M 1911 alias Colt Goverment mit Browning-System, abkippendem Lauf, mit Kettengliedsteuerung, Single-Action-Abzug und Flügel- und Griffstücksicherung, Halbstellungsrast sowie Trennstücksicherung, mit der auch Bonny und Clyde unterwegs waren, haben offenbar die skeptischen Vorprüfungen überstanden und konnten zu Vorbildern für geschnitzte Objekte werden. Ebenso jene Automodelle, die durch spezifische Ereignisse kontaminiert und gleichzeitig auch aus der Masse einer Serie herausgehoben wurden. Wie der grüne Audi 100, in dem Hanns Martin Schleyer zu jenem Platz transportiert wurde, wo man ihn mit drei Kopfschüssen umbrachte und ihn anschließend in den geräumigen Kofferraum legte, wie jener Mercedes, in dem Lady Diana starb, wie die offene Limousine von Daimler Benz mit der Typenbezeichnung 770K, in der Hitler seine Paraden abnahm und die seinerzeit in der ganzen Welt als Staatskarosse beliebt war, wie jener offene Lincoln Continental, in dem Kennedy durch die Welt reiste und in dem er am 22. November 1963 auf einer Wahlkampfreise gegen 12:30 Uhr mit mehreren Gewehrschüssen während einer Fahrt durch die Innenstadt von Dallas ermordet wurde.
Kurz: Es ist eine bestimmte ästhetische Qualität, die die zunächst so heterogen wirkenden Themen und Motive miteinander verbindet, es sind die beeindruckenden Konstellationen, die sich immer wieder von neuem bei der Präsentation der Werke ergeben. Es geht hier nicht um Quantitäten, es geht nur um Gestalten und Formen und nicht zuletzt um Relationen. All das ermöglicht eine außergewöhnlich und unzeitgemäß wirkende, im Laufe vieler Jahre geschulte künstlerische Verbindung zwischen Auge und Hand, zwischen Herz und Verstand. Doch entscheiden Sie selbst, ob das alles einen Sinn ergibt. Denn es muss ja so sein, dass zuletzt jeder einzelne Betrachter und nicht der Künstler die Bedeutung einer Arbeit bestimmt. Ich meine allerdings, die Werkstücke können auch bei uns jene Verbindung erzeugen, bei der wir das berühmte Geist und Körper stimulierende Kribbeln entlang der Wirbelsäule zu spüren bekommen. [...]
(Auszüge aus dem Text von Andreas Bee, in: Modellstück, Arp Museum Bahnhof Rolandseck/Verlag Das Wunderhorn GmbH, 2009)
[...] Peter Sauerer nimmt sich all jene Dinge gründlich vor, denen es gelingt, seine Aufmerksamkeit zu binden. Eine barocke Madonna ebenso wie ein faschistisches Siegsdenkmal in Bozen. Einen Panzerkreuzer aus dem Zweiten Weltkrieg oder eine gotische Kathedrale in Frankreich, einen griechischen Tempel auf Sizilien, Kommissar Stephan Derrick (Horst Tappert) oder Papst Benedetto, Leni Riefenstahl auf dem Reichsparteitag in Nürnberg 1934 oder ein Gemüsebeet in Walleshausen, Madame Pompadour oder Prinz Eisenherz und Aleta. Wenn ihn die Satellitenaufnahmen, die uns Google Earth beschert, faszinieren und zu Werken anregen, bekommt das Flüchtige eine Dauer. Es bleibt Zeit für Nachgedanken. Wie, so kann man sich beispielsweise fragen, sehen wohl erst die militärischen Satellitenaufnahmen aus, wenn schon die zivilen Fotografien derart scharf und hochauflösend sind? Was verschiebt sich durch diese neue Möglichkeit der Weltsicht in unserer Weltvorstellung? Wie verändert sich unser Verhältnis zum Himmel über uns?
Sauerer verbietet sich nichts, auch nicht, der Suggestion von Waffen nachzugehen. Er folgt den Impulsen, die ihn erreichen und die von den Dingen selbst auszugehen scheinen. Er betrachtet diese schwer zu analysierenden ersten Anstöße genau, klärt historische Zusammenhänge und schnitzt – sofern die Objekte einer längeren Beschäftigung standhalten – spezielle, sorgsam ausgewählte Vertreter einer Gattung liebevoll nach, bemalt und zerlegt diese, wie im Falle der Waffen und Schnurarchitekturen, zum Teil wieder, um sie im letzten Schritt der Bearbeitung mit Schnüren wieder zusammen zu nähen. Die gut verdeckt zu tragende kompakte Walther PKK (Polizeipistole Kriminal) „political leader“ – mit der sich Adolf Hitler erschoss – und die in einer späteren Version in zahlreichen James-Bond-Filmen und als Dienstwaffe von vielen Fernsehkommissaren Verwendung fand oder die Selbstladepistole Colt M 1911 alias Colt Goverment mit Browning-System, abkippendem Lauf, mit Kettengliedsteuerung, Single-Action-Abzug und Flügel- und Griffstücksicherung, Halbstellungsrast sowie Trennstücksicherung, mit der auch Bonny und Clyde unterwegs waren, haben offenbar die skeptischen Vorprüfungen überstanden und konnten zu Vorbildern für geschnitzte Objekte werden. Ebenso jene Automodelle, die durch spezifische Ereignisse kontaminiert und gleichzeitig auch aus der Masse einer Serie herausgehoben wurden. Wie der grüne Audi 100, in dem Hanns Martin Schleyer zu jenem Platz transportiert wurde, wo man ihn mit drei Kopfschüssen umbrachte und ihn anschließend in den geräumigen Kofferraum legte, wie jener Mercedes, in dem Lady Diana starb, wie die offene Limousine von Daimler Benz mit der Typenbezeichnung 770K, in der Hitler seine Paraden abnahm und die seinerzeit in der ganzen Welt als Staatskarosse beliebt war, wie jener offene Lincoln Continental, in dem Kennedy durch die Welt reiste und in dem er am 22. November 1963 auf einer Wahlkampfreise gegen 12:30 Uhr mit mehreren Gewehrschüssen während einer Fahrt durch die Innenstadt von Dallas ermordet wurde.
Kurz: Es ist eine bestimmte ästhetische Qualität, die die zunächst so heterogen wirkenden Themen und Motive miteinander verbindet, es sind die beeindruckenden Konstellationen, die sich immer wieder von neuem bei der Präsentation der Werke ergeben. Es geht hier nicht um Quantitäten, es geht nur um Gestalten und Formen und nicht zuletzt um Relationen. All das ermöglicht eine außergewöhnlich und unzeitgemäß wirkende, im Laufe vieler Jahre geschulte künstlerische Verbindung zwischen Auge und Hand, zwischen Herz und Verstand. Doch entscheiden Sie selbst, ob das alles einen Sinn ergibt. Denn es muss ja so sein, dass zuletzt jeder einzelne Betrachter und nicht der Künstler die Bedeutung einer Arbeit bestimmt. Ich meine allerdings, die Werkstücke können auch bei uns jene Verbindung erzeugen, bei der wir das berühmte Geist und Körper stimulierende Kribbeln entlang der Wirbelsäule zu spüren bekommen. [...]
(Auszüge aus dem Text von Andreas Bee, in: Modellstück, Arp Museum Bahnhof Rolandseck/Verlag Das Wunderhorn GmbH, 2009)