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NINE BUDDE
 

ÜBER NINE BUDDE / WRITTEN BY KERSTIN STAKEMEIER AND NINA KÖLLER, 2010

Rosalind Krauss beschreibt den Aufstieg des Videos als neues Medium in der Kunst in den späten 1970ern als Ende der Medienspezifizität. Nach Krauss zog es die künstlerische Produktion zusammen auf einen Punkt in der Gegenwart, der nun, eingeführt in die Kunst als eines ihrer Medien, alle ihre künstlerischen Mittel in sich selbst zurückübersetzte: in das Haushaltsvideoformat, das Fernsehen, Epigone der Massenkultur. Von ihm hatte sich in der Nachkriegskunst die Malerei ebenso abgegrenzt wie ihr Konterpart, die Konzeptkunst. Mit dem Video hatte, so Krauss, die Kunst sich dieser Massenkultur letztendlich übergeben. Sie hatte mit ihm ein Medium in sich aufgenommen, dass sie nicht länger dominieren konnte, sondern dass sie von nun an neu bestimmte.

Die in Berlin lebende Künstlerin Nine Budde, geboren zu dem Zeitpunkt, den Krauss hier als Ende der medienspezifischen Praxis ausmacht, und aufgewachsen in den 1980ern und 90ern, den Jahrzehnten, in denen die serielle Kommerzialisierung der Jugendkultur in eben diesem Medium die Erfahrung dominierte, unternimmt in ihren frühen künstlerischen Arbeiten, eine Untersuchung dieses Zusammenhangs am eigenen Leib. Sie benutzt das Videoformat um exemplarische Testläufe einer Jugend zu konzeptionalisieren, die meist die eigene ist, ohne doch dabei biographisch zu sein. Budde verhandelt gerade in ihren frühen Arbeiten das Allgemeine an sich als Persönliches jedes Einzelnen: Jugend als Erfahrungshorizont und Jugend als kommerzielle und doch affektive Jugendkultur, in ortspezifischen Tätowierungen, in der gendertypischen Reinszenierung der Skatersubkultur als partizipatorischer Ausstellung oder der Reinszenierung der Geschichte des Huckleberry Finn von Mark Twain verwoben in die eigene Hochhauskindheit.

Schnell entwickelte sich das Video in Buddes künstlerischer Praxis hierbei von einem Medium der Selbsterzeugung zu einem der gezielten Projektion, schnell verschwand die Künstlerin selbst aus ihren Arbeiten und wurde ersetzt durch die skulpturale Konstruktion ihres Gedankenraumes. Diese stärker körperliche Auffassung des eigenen Blicks veränderte nicht nur stark den Raum ihrer Videoarbeiten selbst, arbeitete ihn immer genauer durch, lies ihn immer formalere Spannung erzeugen, sondern fügte diesen auch immer gezieltere Inszenierungen hinzu. Architektonische Gebäude, Guckkästen, Black Boxes und Projektionsstellen die die Re-Individualisierungen und Subjektivierungen allgemeiner Erfahrungen auf der Basis einer Alltagserfahrung, die auch weiter ein bestimmender Gegenstand blieben, weiter ausdifferenzierten. Skulpturale Arbeiten im öffentlichen, wie im privaten und institutionellen Raum waren stets ein entscheidender Teil von Buddes Produktionen. Gerade innerhalb den letzten Jahren entwickelten diese jedoch ein Eigenleben, dass auf die Konzeption der Videoarbeiten selbst zurückfiel. Durch die skulpturale Arbeit, so scheint es bei Buddes neueren Arbeiten, hat sich ihre künstlerische Praxis vom Ausdruck einer subjektiven Erfahrung innerhalb eines Raumes zum Ausdruck eines Raumes subjektiver Erfahrung erweitert. Der objektive Subjektivismus, dem ihre Arbeiten Ausdruck verleihen zeigt seine Allgemeinheit nicht mehr in der Übernahme einer vorgefundenen Szenerie, sondern mehr und mehr in deren Rekonstruktion als personell bezogenen und gelebten Raum.

Nine Buddes antidokumentarischer Stil produziert so Genauigkeiten in der Erweiterung der Sprache auf die Gegenstände ihrer Skulpturen, Videos und Installationen. So ordnen in „The Latitude of Loneliness“ migrantische Hausfrauen in Hamburg Wilhelmsburg ihre Möbel neu, nicht um sie funktional zu machen, sondern um ihnen eine neue Funktion, nur für sie selbst zu geben. Nine Budde hat innerhalb der letzten Jahre ein filmische Sprache entwickelt, deren formale Präzision eine Skulpturalisierung des Videoraumes vorantreibt, eine Rückeroberung des zweidimensionalen Mediums durch die dritte Dimension, in der umgekehrt Video zu einem Ausgangpunkt einer erweiterten skulpturalen Auffassung wird, einer Rückübersetzung durch diejenigen künstlerischen Medien die Rosalind Krauss in ihm untergehen sah. Buddes Installationen schliessen sich hierbei um ihre Videoräume und inszenieren Einstiegssequenzen die ihre Betrachter in die Vorstellungsräume ihrer Kunstwerke disziplinieren. Video wird hier von einem Mittel der massenmedial vermittelten Selbsterfahrung zu einem der massenmedial ermöglichten Überschreitung solcher einfachen Abbildfunktionen.  Buddes künstlerische Arbeiten führen den Alltag, von dem sie ihre thematischen Ausgangspunkte konstruiert, als eine grenzenlose Ansammlung von Identifikationen vor, deren Charakteristik gemeinsam und nicht getrennte Erfahrungswelten vorschlägt. In ihren neueren Arbeiten wird das Konzept der ‚Jugend’, dass in ihren frühen Arbeiten so omnipräsent war, zu einem Expansionsprinzip, dass sich nicht in einem Lebensalter abschliesst, sondern in jedem von neuen projiziert werden kann. So ist es in Buddes neuester Arbeit „I lost my sense of Romanticism“ gerade die Abwesenheit eines unmittelbaren Affekts jugendlicher Projektion, die als Folie einer Reformulierung fungiert, einer Neuordnung, einer Restrukturierung der Selbstwahrnehmung und ihrer Inszenierung.
Es sind die Projektionen der Gegenwart vom Standpunkt eines Zeitalters der Jugend aus, dessen Verschiebungen Nine Buddes Arbeiten einen formal exakten Subjektivismus herstellen, der ebenso historisch genau, wie künstlerisch eigenständig ist.