Nicolas Krupp

Monica Studer / Christoph van den Berg

04 Mar - 30 Apr 2011

© Monica Studer / Christoph van den Berg
Spell 1051, 2010
Inkjet print on photopaper,
on aluminium
178 x 143 cm
MONICA STUDER / CHRISTOPH VAN DEN BERG
Spells
4 March - 30 April, 2011

Nicht näher identifizierbare und scheinbar dennoch vertraute Objekte - "Spells" - sind mit Seriosität vortäuschenden drei- oder vierstelligen Nummerierungen versehen, als handle es sich um neuartige Google-Aufnahmen von unbekannten Asteroiden oder um organische Präparate biotechnischer Forschung. Am Rechner 3D erstellt, mittels eines 3D-Gitters und subtil nuancierten aufgemappten Oberflächen, sind die fremdartigen Materie-Landschaften auf Aluminiumträger geprintet, deren Outline dem der Dateiobjekte entspricht und so die plastische Illusion erhöht.
"Spell", der englische Ausdruck für Zauber, Verhexung, Bann, bedeutet als Verb "buchstabieren" - und so steht man gebannt vor den rätselhaften Phänomenen, versucht sie zu entziffern und zu identifizieren. Ein Unterfangen, was misslingen muss, denn die "Spells" sind Trompes l'oeil des digitalen Zeitalters. Nicht also aufgrund der täuschenden Dreidimensionalität, die sich aus der Nähe als plane Oberfläche entpuppt, sondern Trompes l'oeil im Hinblick auf die Erwartung eines Referenten aus der uns bekannten Welt der natürlichen oder technisch manipulierten Objekte.
Unser Erinnerungsvermögen sucht spontan nach etwas, was wir tatsächlich gesehen haben, eine Insel oder ein Kontinent, ein Schwamm aus der Tiefsee oder eine Pilzwucherung, ein organisches Geschwür oder kosmische Gallerte, seltene Gesteinsschichtungen oder Muschelkalkansammlungen. Ungewöhnliche Lineamente, geometrische Raster und Einfärbungen könnte man notfalls für graphische Markierungen halten, die einer weiteren Untersuchung der 'aufgezeichneten' Objekte dienen, über deren 'wirkliche' Größe wir nur spekulieren können, solange wir nicht wissen, 'um was es sich handelt'.
Das Trompe l'oeil erweist sich so als mimetischer Kunstgriff. Ohne Referenten, jedoch auf der Basis eines minutiösen Studiums natürlicher Erscheinungen geformt, lockt gerade die absolute Simulation unsere Erinnerung an bekannte Phänomene auf den Plan. Die Künstler fordern so die Schließung des Horizonts der realen Welt durch die virtuelle Welt heraus, ihre fiktiven Objekte durchschlagen deren Schallmauer, indem das evozierte Wirkliche in den "Spells" implizit und verschwörerisch mitspielt.
Nun haben diese digitalen Trompes l'oeil noch eine weitere Seite. Sie konfrontieren uns damit, wie sehr wir in unserer affektiven Beziehung zur Welt der Erscheinungen von deren Bekanntheitsgrad abhängen. Gegenstandslose Kunst können wir zwar längst, losgelöst von konkreten Assoziationen, als schön, hässlich, langweilig oder erhaben erleben. Sobald jedoch Gegenstände in ästhetische Gebilde involviert sind, spielen diese in der emotionalen Reaktion mit. Angesichts der "Spells" führt deren Simulation unbekannter Objekte zu einer Verunsicherung. So schön oder elaboriert sie formal sein mögen, unser Assoziationengewirr drängt uns emotional in unterschiedlichste Richtungen, geprägt von Erinnerungen an wirkliche Dinge. Dass wir letztlich nicht fündig werden, erhält den Spell aufrecht - der Bann lässt sich, wie wir vielleicht mit amüsierter Genugtuung feststellen, nicht brechen.

Ursula Panhans-Bühler