Karsten Greve

Leiko Ikemura - New Works

19 Apr - 26 May 2007

In rasantem Tempo nähert sich eine weibliche Gestalt dem Horizont. Ganz zaghaft umspielen die Konturen Gesicht und Haare der Kindfrau, die zielgerichtet auf die rot aufleuchtende Ebene zuschnellt. - Ist dieses Wesen, dessen Kopf wir lediglich erkennen können, eine Personifikation des Sturmes, der über die Weiten der Landschaft peitscht? Befindet sich ihr Körper noch im Jenseits? Was ist das für eine menschenleere Umgebung in der Ferne? Die Fragen, die uns spontan durch den Kopf gehen, wenn wir die Zeichnung von Leiko Ikemura betrachten, lassen sich nicht ohne weiteres beantworten. Ihr haftet ein Hauch von sagenhafter Erzählung an, ein Eindruck von Zeitlosigkeit jenseits von rationalen Erklärungen.

Es ist jene Verbindung von Mensch und Natur, von Einfachheit und Komplexität, vom scheinbar flüchtigen Moment und dauerhafter Präsenz, die charakteristisch ist für die Kunst von Leiko Ikemura. Die Werke der gebürtigen Japanerin, die in Köln und Berlin lebt, zeigen atmosphärische Situationen von Körpern im Raum. Sie zeichnen sich durch zaghafte Formen, offene Konturen und fließende Farbübergänge aus. Mal ist es die weibliche Figur, die seit 1990 Hauptthema ihrer Arbeiten ist, mal sind es hybride Wesen, die ein Gefühl der Vertrautheit und Fremdheit zugleich in uns wecken.

Die Galerie Karsten Greve widmet Leiko Ikemura nach den jüngsten Einzelausstellungen im Garden Museum in Tokyo (2006) und im Bonner Kunstverein (2006) eine umfangreiche Ausstellung in ihren Kölner Räumlichkeiten. Gezeigt wird eine Auswahl an Zeichnungen, Leinwandarbeiten und Skulpturen aus den letzten drei Jahren, in denen sich Leiko Ikemura ihren zentralen Themen auf vielfältige Art und Weise nähert.
In ihren Horizontbildern, die seit Mitte der 1990er Jahre entstehen, sucht Leiko Ikemura die Situation des Übergangs als räumliches und metaphysisches Prinzip auf. Sie verweist hierbei auf die Situation der „Schwelle als kultureller wie auch genuin bildästhetischer Zustand“. Die horizontale Linie symbolisiert dabei Halt, Ordnungsschema und Bezugsrahmen einerseits, sowie Ferne, Unendlichkeit und Transzendenz andererseits. Der „leere Raum“ wird durch die Horizontale erst als solcher erkennbar. Es ist ein Ort der beruhigenden Leere, der tiefen Meditation.
Auch in ihren Figurenbildern der „Beach“-Serie thematisiert Leiko Ikemura die Situation des Übergangs. Die Mädchengestalten sind nur schemenhaft dargestellt und befinden sich auf der Grenze zwischen Kindheit und Adoleszenz, das heißt in einem physischen Zwischenzustand. Mit derart mehrfigurigen Kompositionen bewegt sich Leiko Ikemura zunehmend auf neuem Terrain. Das wachsende Interesse an Gesichtszügen, am bedingt individuellen Ausdruck ist hierbei ein Novum, wie auch die Erschließung traditioneller Bildräume. So knüpfen die Figuren der Beach-Serie an die Tradition des weiblichen Körpers als „Badende“ an.

In einer Reihe von neuen Arbeiten beschäftigt sich Leiko Ikemura mit dem Kopfmotiv. In den jüngst entstandenen floating heads bricht sie das Mädchenschema der letzten Jahre auf. Die seitlich gelagerten Köpfe entziehen sich fast gänzlich einer inhaltlichen Zuordnung. Sie sind damit assoziativer und nähern sich der Figurenfindung der Skulpturen, bei denen Formen unterschiedlichster Herkunft miteinander verschmelzen.
Ebenfalls stark assoziativ sind ihre Zeichnungen mit Baummotiven. Sie zeigen laublose Giganten, die sich dem stürmischen Wind beugen und dabei teilweise menschliche Züge anzunehmen scheinen. Wurzeln wachsen sich in beinähnliche Formen aus und die dichten Äste zweier Bäume verschränken sich wie zur Umarmung. Die Verbindung von Mensch und Natur wird hier nicht unmittelbar visualisiert. Sie spielt sich vielmehr in unseren Köpfen ab und wird damit zum interessanten Gedankenspiel.

Für weitere Informationen und Bildmaterial kontaktieren Sie uns bitte unter: galerie.greve@t-online.de
 

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