Bernd Klüser

Mimmo Paladino

15 Jan - 12 Mar 2009

© Mimmo Paladino
Tristi Tropici (12) , 2007
Watercolour
HxW: 29 x 38 cm
MIMMO PALADINO
"Traurige Tropen"

January 15 - March 12, 2009
Galerie Bernd Klüser

Zur Ausstellung (und Buchpräsentation) mit 48 Gouachen und Aquarellen von Mimmo Paladino zu den „Traurigen Tropen“ von Claude Lévi-Strauss
am 15. Januar 2009 in der Räumen der Galerie Bernd Klüser, Georgenstr. 15

Wort und Bild, Literatur und Kunst sind konkurrierende Ausdrucksformen – Schwesternkünste, wie Lessing sie nannte. Sie finden selten auf adäquate Weise zusammen, weil keine Seite sich dem Primat der anderen beschreibend oder illustrativ unterordnen will. Und doch gibt es Ausnahmen, die einen ebenso respektvollen wie souveränen Umgang mit dem anderen Medium beweisen, ohne sich auf eine traditionell befürchtete Derivativebene zu begeben.
Goethe, Rilke, Beaudelaire und Aragon seien für die eine Seite des Dialogs benannt, Fragonard, Géricault, Delacroix, Chagall, Picasso, Giacometti, Motherwell, Beuys und Scully für die andere.

Es waren also nicht die Schlechtesten, die sich mit ihrer Kunst couragiert auf fremdes Terrain bezogen, um sich dort den Besten synergetisch zu stellen.
Wer sich mit seinen künstlerischen Werken auf literarische Meilensteine wie die Bibel, Goethes „Faust“ oder Joyces „Ulysses“ einlässt, weiß um die schon gesetzten Maßstäbe.


Mimmo Paladino hat durch sein frühes Interesse an Sprache und Literatur (ihren Möglichkeiten und Grenzen) die Berührungsängste zwischen beiden Medien nie entstehen lassen.
Schon vor 20 Jahren schuf er eine Suite von 10 Holzschnitten für die „Tristes Tropiques“ von Claude Lévi-Strauss. Einen Zyklus von Arbeiten auf Papier („Guarda una rosa“) widmete er 1990 Ezra Pound, mit dessen Tochter Mary de Rachewiltz er befreundet ist. Vier Jahre später gab unsere Galerie das Portfolio „Ulysses“ mit 18 Radierungen zum Text von James Joyce heraus, ergänzt durch ebensoviele individuell bearbeitete verschiedene Buchausgaben des Romans und eine Serie von 18 Collagen (die Graphiken sind zur Zeit im Haus der Kunst im Rahmen der Ausstellung „Made in Munich“ zu sehen). Später folgten u. a. Werkgruppen zu Homers „Ilias“ und „Odyssee“ und zu Cervantes ́ „Don Quichote“.

Die 48 ausgestellten Gouachen und Aquarelle zu den „Traurigen Tropen“ entstanden in den letzten Wochen des Jahres 2007. Als mich kurz zuvor der Suhrkamp Verlag um Vermittlung für dieses Projekt bat, sagte ich gerne zu. Ich wusste um Paladinos Interesse an Brasilien (sein Vater lebte dort und er hatte ihn mehrfach besucht) und speziell an den „Traurigen Tropen“ des inzwischen 100-jährigen Autors. Zudem hatten wir beste Erfahrungen mit dem Suhrkamp bzw. Insel Verlag gemacht, der erst vor vier Jahren den „Ulysses“ Band der Inselbücherei mit Graphiken und Zeichnungen des Künstlers herausgegeben hatte. Unsere Hoffnungen wurden mit der Gestaltung der vorliegenden Sonderausgabe wahrlich nicht enttäuscht – es ist in jeder Hinsicht ein besonders schönes Buch geworden.

Die Zeichnungen Paladinos zeigen in ihrer Zurückhaltung – verstärkt durch das Layout des Buches – den gebotenen Respekt vor dem Text. Sie illustrieren nicht, sondern schaffen eine parallele Bilderwelt – die poetisch-atmosphärische Erweiterung des Geschriebenen.
Im Text zu seinen „Ulysses“ Radierungen hatte ich kurz den generellen Hintergrund seines Interesses beschrieben – das Zitat passt, ohne Abstriche auch in diesen Zusammenhang:

In Benevento (in der Region Campania) aufgewachsen, ist der Künstler gewohnt, selbstverständlich im Spannungsfeld zwischen historischen Erinnerungen und der Neuzeit zu leben.
Die griechischen Ursprünge der Stadt, ein ehemals verbreiteter Isis-Kult sind ihm ebenso vertraut wie die Relikte römischer Zeit. Im historischen Zentrum finden sich häufig Bestandteile römischer Skulpturen und Reliefs, die als >Baumaterial< in spätere Gebäude eingefügt wurden. Ein für Kaiser Trajan errichteter und hervorragend erhaltener Triumphbogen trotzt dem zunehmenden Straßenverkehr. In der Umgebung werden großflächig die abgeernteten Felder abgebrannt – nachts, weil es sonst zu heiß wäre. Von seinem abgelegenen Haus kann Paladino dieses Urbild auf den umliegenden Hügeln beobachten: eine gespenstisch elementare Szene, die verschlüsselt immer wieder in seinen Bildern erscheint. Die verschlossene Mentalität der Landbevölkerung (im Gegensatz zur relativ nahen, weltoffenen Hafenstadt Neapel) bedingt ein Zurücknehmen der Sprache – Symbole, stumme Zeichen übernehmen einen Teil der Kommunikation. Diese Grunderlebnisse haben Paladino und sein Werk geprägt – trotz aller späteren Erfahrungen in Metropolen wie Rom und New York.
Er hat seine eigene Bildersprache entwickelt, poetische Bilder von hoher Präzision gefunden, die sich der Entschlüsselung durch abstrakte Begriffe entziehen. Seine Bildwelt ist ebenso lokal geprägt wie international nachvollziehbar. Irreale und kosmische Landschaften erscheinen, Tiere, die Menschen begleiten – beschützend und bedrohend zugleich. Stimmungslagen werden deutlich, die sich schwer in Worte fassen lassen: Abschied, Hoffnung, Freude, Schmerz, Trauer, Angst und Geborgenheit. In summa ist seine Kunst zutiefst human.

Wahrscheinlich hätte Paladino in Bezug auf seine Kunst dasselbe Zitat aus den „Traurigen Tropen“ ausgesucht, das der Verlag auf das Rückcover der Buchausgabe setzte:
„Ich hatte eine auf ihren einfachsten Ausdruck reduzierte Gesellschaft gesucht. Die der Nambikwara war so einfach, dass ich in ihr nur Menschen fand.“

Januar 2009
Bernd Klüser
 

Tags: Mimmo Paladino, Pablo Picasso