artmap.com
 
DANIEL LERGON
 

"DIE NERVOSITÄT" VON CAROLA UEHLKEN

Die zwei Räume des Frankfurter Salons Kennedy werden durch zwei Durchgangswände geteilt. Daniel Lergon zeigte hier im November 2013 auf den beiden sich gegenüberstehenden Aussenwänden jeweils zwei Bilder (160 x 160 cm). Sie standen in einem Winkel von ca. 15 Grad an einer Seite schräg von der Wand ab. Jeweils ein Eisen- und ein Kupferbild führten so einen gemeinsamen Dialog. Durch diese gedoppelten Bildpaare entstand eine Situation sich kreuzender Beziehungen, deren geometrischer Mittelpunkt im Durchgang zwischen den beiden Räumen lag. Die Durchgangswände links und rechts unterstützten die Kommunikation und öffneten den Blick in die Breite des Raums. Vier großformatige Zeichnungen auf Papier fungierten hier als Membranen. Während auf den Leinwänden die Elemente Kupfer und Eisen durch malerisch herbeigeführte Oxidation den Bildinhalt charakterisierten, waren es auf dem Papier die in Acryl neutral gebundenen körnigen Kupferteilchen, die die Zeichnungen bestimmten. Die mit 2 Nägeln befestigten, herabhängenden Papierarbeiten mit fließenden, abstrakten Motiven ermöglichten die erfahrbare Durchlässigkeit zwischen den zwei Räumen. Die Leinwände hingegen verharrten, schafften eine räumliche Begrenzung in ihrer statischen Montierung an den Außenwänden und bestimmten das Spiel.


Die Nervosität der Formen

Die Formen wurden frei auf die Leinwand gelassen, danach wurden sie gezähmt. Die gewonnene Festigkeit war auf den Leinwänden unumstritten und, so verhielt es sich auch in ihrer neuen räumlichen Umgebung. Sie hatten sich in ihrem metallischen Hintergrund so sehr eingerichtet, dass man leicht die Vermutung entwickeln konnte, sie wären dort unveränderlich. Die Besucher betrachteten die Formen als Abstrakte, assoziierten sie in ihre jeweils eigene Welt, in die sie gehören konnten. Sie ordneten sie.

Nun entwickelten die kleinsten Teile der Formen gegen diese Festigkeit, die einst ein Pinsel ihnen einverleibte, eine gewisse Nervosität. Sie hatten sich so nie einrichten wollen und fassten den festen Entschluss zu einer eigenen Beweglichkeit. Der erste Auslöser war ein Wissen über das Gegenüber. Sie neigten sich zueinander, um möglichst viel ihres Partnerstücks zu analysieren. Die Zeichnungen auf den Mittelwänden des Salons sahen das Aufbäumen der Formen und blieben dabei gelassen.
Sie unternahmen keinerlei Einmischung in die Blickwechsel und hingen ruhig, durchlässig, hatten ihre Eigenbewegung bereits gefunden. Sie mussten sich nicht eines Besseren belehren. Sie hingen sanft, schmiegten sich in den Durchgang, und ließen sich vom Treiben der Formen wiegen. Es gab auf ihnen Dinge, die sich selbst in die Höhe arbeiteten, Wasser von oben nach unten fallend, Formen, die unbestimmt blieben und ebenfalls nicht wollten, dass man ihnen ein Eigenleben abspricht.

In den beiden Ausstellungsräumen fühlte man diese Spannung, solange man die Nervosität und das Eigenleben der Teile zu erkennen vermochte. Der Dialog der Formen wurde einige Male unterbrochen, ihr stetiges Weiterbewegen kaum bemerkt. Ihre Rohheit auf der Leinwand war es, die ernst genommen wurde als ein festes Etwas.

Der Maler hatte die Bewegungen sehen können, während er die Formen zähmte. Sie reagierten aus der Starre heraus mit etwa einer neuen Farbe, einem neuen Teint. Lange nicht waren die Formen so selbstbewusst, lange nicht hatten sie ein gereiftes Selbstverständnis wie in dieser Umgebung. Die Nervosität blieb ihnen im Salon das beste Mittel, die Besucher von ihrer Identität zu überzeugen. Als sie noch nebeneinander zum Trocknen im Studio lagen, hatten sie von dieser ihrer Art nichts geahnt.