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CONNY BECKER
 

DIE REVOLTE DER MUSEN BEI CARO SUERKEMPER

Caro Suerkemper, OT (Muse), 2011
Caro Suerkemper, Assemblage
Denkt man an den Künstler und seine Muse, so drängt sich die Assoziation des kreativen Genius mit seiner liebreizenden Inspirationsquelle auf, die trotz ihrer bedeutenden Stellung (ohne Inspiration kein Kunstwerk) meist auf eine Art austauschbares Objekt reduziert wird. Doch was, wenn sich die Musen emanzipieren, gegen ihre aufgezwungene Passivität auflehnen?

Diese Situation scheint bei Caro Suerkempers auf Papier oder in Keramik eingefrorenen Frauenfiguren eingetreten zu sein. Mit den rundlichen Gesichtern noch ganz Mädchen, vom Körper her bereits Frau, zeigt die Künstlerin ihre Protagonistinnen in einer Art spätem Spiegelstadium. Während dies nach dem Psychoanalytiker Jacques Lacan eigentlich zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat liegt, treffen wir es bei Suerkempers weiblichen Figuren eher zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr an. Doch analog zu Lacan kann man auch hier von einem „Aha-Erlebnis“ sprechen, bei dem der Körper in seiner Einheit (Lacan) respektive in seiner sinnlichen Macht (Suerkemper) und somit schließlich das Selbst erkannt wird. Aber damit nicht genug. Denn ebenfalls ganz im Lacan’schen Sinn kann man bei Suerkempers Werken den „Blick zurück“ (the gaze) ausmachen, der dem vermeintlich dominanten männlichen Künstler oder Betrachter unerwartet entgegenschlägt, ihn ertappt und im Innersten verunsichert.

Zuträglich bei dieser Überrumpelung durch das Kunstwerk ist das subtile Spiel zwischen Naivität und Laszivität der teils gezeichneten, teils geformten Frauenkörper. Während diese Körper nicht versteckt, vielmehr bewusst exponiert werden, befinden sie sich in einer scheinbar unschuldigen, spielerischen Haltung, die die Objekte der Begierde (Musen) umso begehrenswerter machen. Suerkempers Art zu arbeiten unterstützt dies zusätzlich. Denn sie formt ihre Plastiken auf eine barocke Rundumsicht hin, womit das Werk dem Betrachter immer überlegen ist, ihm stets etwas vorenthält. Sie regt damit an, klischeehafte Rollenzuschreibungen zu hinterfragen – denn das Objekt hat sich schon längst zum Subjekt gemausert.